Keine freie Wahl des Arbeitsplatzes mehr

Arbeit und Soziales 1937:

Die im Jahr 1937 erreichte Vollbeschäftigung im Deutschen Reich führt in vielen Wirtschaftszweigen zum Arbeitskräftemangel. Die Reichsregierung versucht durch verstärkte Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern und dirigistische Maßnahmen, die Versorgung wichtiger Betriebe mit Arbeitern zu gewährleisten. Die nationalsozialistischen Unterdrückungsmechanismen in den Betrieben und die ständige Forderung nach Leistungssteigerung rufen immer häufiger Widerstand in der Arbeiterschaft hervor.

Die durchschnittliche Arbeitslosenzahl sinkt 1937 auf rund 912 000 . Der Rückgang der Arbeitslosen um fast 700 000 (rund 42%) gegenüber 1936 ist der durch staatliche Aufträge initiierten Hochkonjunktur im Reich zuzuschreiben. Demgegenüber steigt die Zahl der im Deutschen Reich beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer von 1936 bis 1937 um fast 39% auf rund 381 000 (1936: rund 274 000 ). Ein großer Teil der Ausländer arbeitet in der Landwirtschaft (1120 000 ), die traditionell unter Arbeitskräftemangel zu leiden hat. Ein weiteres Potenzial an zusätzlichen Arbeitskräften, die Frauen, aktiviert die Reichsregierung entgegen den NS-Grundsätzen durch eine Änderung der Vergabebedingungen für Ehestandsdarlehen. Ab dem 1. Oktober 1937 wird Eheleuten auch ein Darlehen gewährt, wenn die Ehefrau berufstätig ist. Speziell den Arbeitskräftemangel in der Stahl- und Bauindustrie versucht die Regierung in Berlin schon seit 1936 durch die zentrale »Bewirtschaftung« der Facharbeiter zu lindern. Die Freizügigkeit dieser Berufskreise ist dadurch weitgehend eingeschränkt worden.

So wird im Oktober 1937 ein Feinmechaniker vom Sozialen Ehrengericht in Berlin zu 500 Reichsmark Ordnungsstrafe verurteilt: Der Arbeiter wollte seinen Arbeitsplatz kündigen; nach einer Ablehnung versuchte er, die Kündigung durch verringerte Arbeitsleistung durchzusetzen.

Die »Umschichtung« von Facharbeitskräften wird häufig ohne jede Rücksicht auf die Menschen durchgeführt. So kündigt die Saargruben AG am 30. April rund 1700 Arbeitern, die sich zwecks Einsatzes in anderen Gebieten des Reiches beim Arbeitsamt zu melden haben. Wer sich nicht fügt, erhält keine Arbeitslosenunterstützung.

Der aufkeimende Widerstand in der Arbeiterschaft soll nach Empfehlung des Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin durch ein Netz von »Vertrauensleuten« in den Betrieben erstickt werden – durch Inhaftierung der »Rädelsführer«.

Chroniknet