Angebote für den »gehobenen Bedarf« und Propaganda

Werbung 1940:

Auf den ersten Blick hat bislang die breitgefächerte Palette der Zeitungs- und Illustrierten-Werbung in der Auswahl der angepriesenen Produkte dem Kriegsgeschehen in Europa noch keine sonderlich hohe Beachtung gezollt. Weiterhin erscheinen Anzeigen, die den Kauf von Produkten aus der Massengüterindustrie steigern sollen; diese war von den Nationalsozialisten in den 30er Jahren gefördert worden. So finden sich im Konsumbereich trotz Zwangsbewirtschaftung neben Angeboten für Artikel des täglichen Bedarfs selbst noch Anzeigen für Luxusgüter wie Sekt, Kosmetik für die Schönheitspflege der Frau, Rauchwaren und verschiedene Schlankheitsmittel. Nur vereinzelt sind Anzeigen zu sehen, die auf das aktuelle politische Zeitgeschehen Bezug nehmen. So gibt die Firma Dr. Oetker mit ihrer Werbeanzeige für Backpulver zugleich Tipps, wie man auch mit nur 50 g Fett und nur einem Ei den beliebten Pflaumenkuchen herstellen kann. Auch die Firma Schleussner, Lieferant von Fotoartikeln, stellt die veränderte Nutzung des von ihr angebotenen Filmmaterials »Adox-21« in ihrer Werbung in den Vordergrund. In der als Comicstrip aufgemachten Anzeige heißt es betont humorvoll: »Die Heimat knipst … die Front freut sich.« Vor allem in der Tabak-und Zigarettenwerbung kommt eine deutlich militaristisch gefärbte, betont männliche Imagewerbung zum Ausdruck. Für die »Güldenring-Zigarette« aus dem Haus Neuerburg wird ganzseitig mit historischen Schlachtgemälden geworben, die mit entsprechenden Begleittexten wie »Soldaten rauchen! Das war schon früher so und hat sich auch heute nicht geändert …« direkt auf die Kriegsereignisse Bezug nehmen.

Die Mode- und Bekleidungsbranche stellt in ihren Anzeigen den stärksten Bezug zur aktuellen wirtschaftlichen Situation her. Werbung für Bastschuhe anstelle von Fabrikaten aus knapp gewordenem Ledermaterial sowie auch der Trend zum Selbstschneidern werden in den Vordergrund gerückt. Praktische und wenig aufwendige Schnitte, die sich unter Verwendung von »nur

einer Rolle Nähseide« als Grundlage für die Herstellung eines Kleids verwenden lassen, liegen im Trend. Selbst die Werbetexter in der neutralen Schweiz beziehen sich in ihren Slogans auf die Erschwernisse des Kriegs in Europa: Die Werbung für Sekt wird z. B. mit dem Hinweis »Schöne Stunden auch in schweren Zeiten« versehen, bei Angeboten für Erholungsreisen wird der volkswirtschaftliche Aspekt des Fremdenverkehrs hervorgehoben: »Macht Ferien – schafft Arbeit!« In offenem Kontrast dazu stehen Werbeanzeigen für die »elegante Frau«, die sich in exklusive Morgen- und Abendmäntel sowie in Pelze hüllt und sich mit dem Duft von teurem Parfüm umgibt.

Die Werbung für Produkte der Schwerindustrie ist eindeutig vom kriegswirtschaftlichen Nutzdenken bestimmt. So wird in britischen und deutschen Inseraten der Maschinengüterindustrie und Automobilbranche mit Schlagworten wie »Stärke« und »Durchschlagskraft« die bewusste Assoziation von Kriegsereignissen vorgegeben. U-Boote und Kampfflugzeuge im Kriegseinsatz sollen für die Qualität der Produkte bürgen. Der Krieg wird so zum ästhetischen Mittel in der Anzeigenwerbung stilisiert. Direkt von den Kriegserfordernissen veranlasst ist eine besondere Kategorie von Anzeigen zuständiger Ministerien und Behörden sowohl in der deutschen als auch in der internationalen Presse. Beispielgebend steht hierfür eine Inseratenkampagne des britischen Versorgungsministeriums, die nahe an politische Propaganda heranreicht. Mit dem Slogan »Hausfrauen, es gibt Waffen in euren Haushaltsabfällen« wird in einem Cartoon für die getrennte Sammlung von Metall-, Papier- und Knochenabfällen als wichtige Rohstofflieferanten im Kampf gegen den Nationalsozialismus geworben: Eine aufgebrachte Hausfrauenmenge schleudert Zeitungsbündel und alte Hausratsgegenstände u. a. auf Karikaturen von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Hermann Göring. Mit Blick auf die Zukunft wirbt das renommierte britische Magazin »World-Review« für eine »glückliche Generation« 1940.

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