Vom Transistor bis zum Jet

Wissenschaft und Technik 1954:

Die Hauptschwerpunkte der technischen Forschung und Entwicklung liegen auf zwei Gebieten: In der Grundlagenforschung und im Verkehrswesen.

Zwei epochale Durchbrüche gelingen auf dem Sektor der Elektrizitätserzeugung. Zum einen stellen Wissenschaftler des Bell Telefone Laboratory in den USA die sogenannten Photoelemente her, Zellen aus kristallinem Silizium, die einfallende Lichtstrahlung direkt in elektrische Leistung verwandeln. Mit Hilfe dieser Neuentwicklung kann Sonnenlicht zur Stromerzeugung genutzt werden. Zum anderen gelingt erstmals die Herstellung leichter Nuklearbatterien. Das Herz einer solchen stromliefernden Zelle ist ein langlebiges radioaktives Isotop, z. B. Plutonium-238 oder Strontium-90, das als Beta-Strahler fortwährend Elektronen aussendet. Sie werden von einem Metallgehäuse aufgefangen. Zwischen dem Beta-Strahler und dem Gehäuse lässt sich elektrischer Strom abgreifen.

Der astronomischen Großforschung dient ein in Jodrell Bank, Manchester, fertiggestelltes Radioteleskop von 76 m Antennendurchmesser. Das Instrument soll Radiowellen aus den Tiefen des Weltalls empfangen und damit die Grenzen der Beobachtung des Kosmos weit über das mit optischen Teleskopen Mögliche hinausschieben.

Die Öffentlichkeit lenkt ihr Augenmerk vor allem auf Neu-Entwicklungen der Phono-Industrie. Die US-amerikanische Firma Regency überrascht den Markt mit dem ersten Transistorradio. Dieser Radioempfänger, bei dem Halbleiterbauteile die bisher üblichen Röhren ersetzen, ist zum einen wesentlich unempfindlicher gegenüber Erschütterungen, zum anderen erheblich kleiner als Röhrenempfänger; die Transistoren sind erheblich kleiner als Elektronenröhren und sie arbeiten zudem kalt. Transistorradios benötigen daher keine großen Netzteile für den Heizstrom und keine Kühleinrichtungen. Damit ist der erste Schritt zum tragbaren Radio getan, das in den kommenden Jahren zu einem Verkaufsschlager unter den Phono-Artikeln wird.

Eine weitere Entwicklung im Funkbereich leiten erste Experimente mit stereophonen Rundfunksendungen ein. Dazu gehört die Produktion von Raumton-Wiedergabeeinrichtungen mit zwei Empfangskanälen, zwei getrennten Verstärkern und zwei Lautsprechersystemen, die dem Hörer das Gefühl vermitteln, er befinde sich mitten im Geschehen.

Einen Meilenstein in der elektronischen Datenverarbeitung stellt die Entwicklung der Programmiersprache FORTRAN durch den US-Amerikaner J. W. Backus dar. Sie erlaubt dem wissenschaftlichen Computerbenutzer erstmals in nicht maschinenorientierter Sprache – also ohne weitere Vorkenntnis – mit dem Rechner in Dialog zu treten. Bei FORTRAN werden Symbole verwendet, die aus der Mathematik und der Physik entlehnt sind.

Mit der wachsenden Bedeutung des Transport- und Beförderungswesens intensivieren Flugzeug-, Schiffs- und Kraftfahrzeugbauunternehmen ihre Aktivitäten. 1954 werden mehrere Entwicklungen vorgestellt, die dem zivilen und militärischen Verkehrswesen neue Impulse geben. Am 7. Februar startet in den USA der »Starfighter«, die Lockheed XF-104, zu ihrem Jungfernflug. Das mit einem Strahltriebwerk ausgerüstete Kampfflugzeug, das ab 1955 in Serie gefertigt wird, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von über 2300 km/h. Ein wichtiger Schritt in der Geschichte der zivilen Luftfahrt ist die Entwicklung der Boeing 707; ein Prototyp dieser Maschine, die später von vielen Fluggesellschaften in Dienst gestellt wird, startet am 15. Juli.

Zu Wasser sorgt die »Nautilus«, das erste Unterseeboot mit Kernreaktorantrieb, für Aufsehen. Das von US-amerikanischen Wissenschaftlern gebaute Boot läuft am 21. Januar vom Stapel.

Auf dem Gebiet der alltäglichen Gebrauchsgüter wird die technologische Forschung vorangetrieben; so bringt die Leverkusener Bayer AG im November die Acrylfaser »Dralon« auf den Markt, die große Bedeutung bei der Textilherstellung erlangt.

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