Fleischesser steigen um

Ernährung, Essen und Trinken 1996:

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bescheinigt in ihrem Ernährungsbericht 1996 den Deutschen einen Hang zu gesünderem Essen: Mehr Fisch und Obst und auch etwas mehr Gemüse kommen auf den Tisch.

Der Trend weg vom Rind- und Kalbfleisch hat seinen Grund vor allem in den Meldungen über die mögliche Übertragbarkeit des sog. Rinderwahnsinns auf den Menschen. In vielen EU-Ländern üben die Verbraucher Kaufzurückhaltung und greifen eher einmal zu Geflügelfleisch. Insgesamt sinkt in den EU-Ländern 1996 der Verzehr von Rind- und Kalbfleisch um 8,2%. In den einzelnen Ländern ist die Entwicklung aber unterschiedlich: Während z. B. in Skandinavien der Fleischverzehr noch leicht zunimmt, geht in Deutschland der Verbrauch pro Einwohner um 1,3 kg auf 15,3 kg zurück. In Großbritannien, wo 1996 nur noch ein Pro-Kopf-Verbrauch von 14,5 kg errechnet wird, ist der Rückgang mit 3,2 kg besonders deutlich. Besorgt reagieren viele Verbraucher auch auf Meldungen über nikotinhaltige Eier und das Vordringen genmanipulierter Nahrungsmittel. Am 5. November läuft – begleitet vom Protest von »Greenpeace« – der erste Frachter in Hamburg ein, auf dem gentechnisch manipuliertes Soja importiert wird.

Soja ist einer der häufigsten Basisrohstoffe bei der Lebensmittelherstellung. In Form von Ölen, Fetten und Proteinen sind Soja-Produkte in etwa 30 000 Lebensmitteln enthalten. Die Skala reicht von Backwaren über Pasten und Saucen bis hin zu diverser Tiefkühlkost.

Der US-Chemiekonzern Monsanto hat die gentechnisch veränderten Sojabohnen (Markenname: Roundup Ready) entwickelt, die gegen schädliche Einwirkungen der von der gleichen Firma hergestellten Unkrautvernichtungsmittel unempfindlich sind.

Wegen der Proteste von Verbrauchern erklären viele deutsche Lebensmittelproduzenten, auf gentechnisch veränderte Rohstoffe verzichten zu wollen.

Über die Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln, auch Novel Food genannt, gelten erst ab Mai 1997 auf europäischer Ebene gesetzliche Regelungen. Nach vierjähriger Debatte einigen sich das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat im Vermittlungsausschuss am 28. November 1996 auf einen Kompromiss: Wenn die Veränderung chemisch nachweisbar ist, müssen die gentechnisch veränderten Nahrungsmittel gekennzeichnet werden. Diese Verpflichtung gilt dann z. B. für die sog. Anti-Matsch-Tomate, die in Großbritannien seit Februar 1996 im Handel ist, ebenso wie für die gentechnisch veränderte Sojabohne.

Eine weitere Bereicherung des Speiseplans ist das erste kalorienarme Retortenfett »Olestra«, das am 24. Januar in den USA für Kartoffelchips und andere Knabberwaren zugelassen wird. Allerdings sind viele Experten skeptisch, weil die Leckerei ohne Gewichtszunahme unerwünschte Nebenwirkungen hat: Das Retortenfett entzieht dem Körper lebenswichtige Vitamine wie A, D, E und K. Sie gelangen normalerweise mit den Fettmolekülen ins Blut, werden – an »Olestra« angebunden – aber wieder ausgeschieden. »Olestra« kann unter bestimmten Umständen zu Durchfall führen und Magenkrämpfe hervorrufen.

Ohne Nebenwirkungen ist Tiefkühlkost, die seit Jahren in Deutschland auf dem Vormarsch ist. 24,7 kg Tiefgefrorenes werden pro Kopf und Jahr in Deutschland verzehrt; am häufigsten greifen die Verbraucher zu Fertiggerichten. Dagegen macht der verregnete Sommer den Getränkeproduzenten einen Strich durch die Rechnung: Der Pro-Kopf-Verbrauch geht von 671,3 l im Jahr 1995 auf 667,1 l zurück. Dies zeigt sich vor allem bei Mineralwasser: Der Konsum pro Kopf sinkt gegenüber dem Vorjahr um 2,6 l auf 95,5 l. Mit 41,1 l Fruchtsaft pro Einwohner sind die Deutschen Saft-Weltmeister; getrunken wird vor allem Apfel- und Orangensaft.

Chroniknet