Schmiergelder für Trinkgeld-Stellen

Ernährung, Essen und Trinken 1911:

Die Zahl der gastronomischen Betriebe im Deutschen Reich beträgt rund 300 000. Diese Zahl wird auf dem zweiten Weltkongress der Hotelbesitzer bekanntgegeben, der am 16. Oktober im preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin tagt. Die Betriebe beschäftigen mehr als 1,2 Mio. Männer und Frauen, wobei die Besitzer, Pächter und Geschäftsleiter nicht mitgezählt sind. Berlin hat etwa 20 000 Hotelbetten, New York 53 000. Die meisten Kellner, Portiers, Dienstboten, Kutscher u. a. Beschäftigte im Gast- und Hotelgewerbe erhalten keinen festen Lohn, sondern sind auf Trinkgeld angewiesen. Dieses Wort hat vielfach die Bedeutung einer vollständigen Bezahlung für Dienstleistungen angenommen. Viele Trinkgeldempfänger – Zahlkellner, Hausknechte, Portiers großer Hotels usw. – entrichten für ihre einträgliche Stelle eine Art Pacht. Obwohl dies durch das Stellenvermittlergesetz verboten ist, werden für lukrative Trinkgeld-Stellen horrende Schmiergelder gezahlt. Das Gros der Bediensteten im Gaststätten- und Hotelgewerbe lebt jedoch einkommensmäßig an der unteren Existenzgrenze. Die Gastwirtsvereine unterhalten mit Unterstützung des Staates oder der Städte Gastwirtschaftsschulen für Kellner.

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