Arbeitsbedingungen im Bergbau im Kreuzfeuer der Kritik

Arbeit und Soziales 1914:

Angesichts schwerer Unglücksfälle reißen die Diskussionen um die Sicherheit im Bergbau nicht ab. Auch in anderen Produktionsbereichen werden die Auswirkungen der Arbeitsbedingungen auf die menschliche Gesundheit untersucht.

Am 14. März kommt es im preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin zu einer Diskussion über die Arbeitsbedingungen im Bergbau, dem beschäftigungsintensivsten deutschen Industriezweig; im Vorjahr waren im gesamten Bergbau (mit Hütten- und Salinenwesen) 1 196 786 Menschen beschäftigt. Bei der Debatte kritisiert der sozialdemokratische Abgeordnete und Führer des Berg- und Hüttenarbeiterverbandes, Otto Hué, die unzulänglichen Sicherheitsvorkehrungen in den Bergwerken. Außerdem fördert nach seiner Ansicht die zunehmende Frauen- und Kinderarbeit zusätzlich die Unfallquote. Andere Abgeordnete beklagen die negativen Auswirkungen sowohl des Akkordsystems wie auch des mangelnden Sicherheitsbewusstseins bei Grubenunternehmen auf die Arbeitsbedingungen im Bergbau. 1914 entfallen von insgesamt rund 705 000 Verletztenmeldungen in der Unfallversicherung allein rund 123 000 auf die Berufsgenossenschaft der Bergarbeiter.

Neben den schlechten Arbeitsbedingungen kämpfen die Bergarbeiter mit sinkenden Löhnen. So verringert sich der Vierteljahreslohn im Oberbergamtsbezirk Dortmund – er umfasst mit dem Ruhrgebiet die wichtigste Bergbauregion im Deutschen Reich – bereits im ersten Vierteljahr 1914 von 424 Mark auf 402 Mark, um später noch weiter abzusinken. Diese Tendenz überträgt sich im weiteren Verlauf des Jahres auch auf andere Bergbaugebiete wie Ober- und Niederschlesien, die zu Jahresbeginn steigende Löhne verzeichnen.

Auf sozialpolitischem Gebiet ist 1914 u. a. die Publikation zweier Untersuchungen über das Lebensalter deutscher Industriearbeiter erwähnenswert. Erstmals zeigen sie auf statistischer Grundlage die unterschiedliche Altersverteilung der Beschäftigten in den verschiedenen Produktionszweigen. Am ungünstigsten schneiden die Unternehmen der Schwerindustrie ab. Der Anteil der Beschäftigten im Alter von über 40 Jahren liegt z. B. in der Großeisenindustrie (21,7%) wie auch in der Maschinenindustrie (20,5%) weit unter dem Durchschnitt; in der Textilindustrie liegt die Quote bei 35,3%. Das 40. Lebensjahr stellt nach Ansicht der Forscher »den entscheidenden Knick des Berufsschicksals der Industriearbeiter« dar. Für die unterschiedliche Altersverteilung machen sie die vor allem in der großindustriellen Produktion zunehmende Arbeitsintensität verantwortlich. In den Monaten Januar und Februar 1914 zeigt die Winterarbeitslosigkeit im Deutschen Reich den höchsten Stand seit 1910. Auf 100 bei den Arbeitsnachweisen gemeldete offene Stellen entfallen im Januar 234 männliche und 105 weibliche Arbeitssuchende (1913: 191 bzw. 98). Damit setzt sich der bereits im Vorjahr einsetzende Trend einer steigenden Arbeitslosigkeit weiter fort. Nach einer zwischenzeitlichen Abschwächung übertrifft sie im ersten Kriegsmonat August sogar die Zahlen vom Winter.

Chroniknet